„En Famille“ ein groteskes Kammerspiel

Figurentheater

Spiel: Delia Dahinden, Esther Uebelhart

Figuren: Delia Dahinden

Regie: Martha Zürcher

 

Ein Stück über die kleinen und grossen Verbrechen im trauten Kreis der Familie. Grausame Alltäglichkeiten, geboren aus einer inneren Leere, getrieben vom Wunsch nach Liebe und Anerkennung , verübt hinter den geschlossenen Türen. Ein Stück Hoffnung, dass die alten Geschichten endlich sterben können und der Weg frei wird für ein eigenes Leben.

Trudy Mazon spielt Szenen aus ihrem Leben immer und immer wieder durch. Lucy, ihr Alterego, ist das nicht gewollte und ungeliebte Kind, Resultat eines Fehltrittes einer Mutter, die sich doch nur nach etwas Liebe sehnte.  Die Söhne, für die Mutter das-ein-und-alles, haben sich längst telefonisch aus dem Staub gemacht und Klein Lucy löffelt die Suppe aus. Lucy ist hübsch, entwickelt ihre Überlebensstrategien und lässt sich durch das Leben  treiben. Endlich meint sie am Ziel ihrer Wünsche angekommen zu sein. Die Männer reissen sich um ihre Gunst. Doch wie  schon der Vater, wollen auch sie nur die Süsse des Augenblickes geniessen.

Fotos: Hilde Eberhard / Andrin Winteler

Pressestimmen

NZZ Kritik

Grotesk

«En famille» im Theater Stadelhofen

Anne Bagattini · Diese Frau im bunt gemusterten Schürzenkleid und mit der ordentlichen Hochsteckfrisur scheint einer französischen Suppenwerbung der sechziger Jahre entstiegen zu sein. Hypernervös und unermüdlich lächelnd, verrät die perfekte Hausfrau ihr Erfolgsrezept: «Du persil», Petersilie, gehöre in jede Suppe, «à cause des vitamines». Während sie ihr gut gepolstertes Hinterteil in einer Art Tanz nach allen Seiten streckt, schöpft sie die (fiktive) Suppe in drei Teller, «pour Fred, Luc et Jacques». Von den drei Söhnen taucht indes keiner auf, dafür tigert die betagte und offenbar geistig verwirrte «maman» der Hausfrau im Hintergrund wie ein Zombie hin und her.

«En famille» heisst die neue Produktion der Zürcher Gruppe Theadder, die am Dienstag im Theater Stadelhofen uraufgeführt worden ist. Als «groteskes Kammerspiel für sieben Figuren und zwei menschliche Wesen» bezeichnet Delia Dahinden das von ihr konzipierte Projekt (Regie: Martha Zürcher). Und in der Tat: Grotesker könnte der Theaterabend kaum sein. Er besteht aus zahlreichen Einzelszenen, deren inhaltlicher Zusammenhang nicht wirklich ersichtlich ist, die dafür, jede für sich, ausgesprochen witzig sind.

Esther Uebelhart alias Emma zieht etwa immer wieder einen unförmigen Hund aus abgeschossenem Pelz lustlos hinter sich her und ermahnt das Viech dabei nicht eben geduldig, nun doch endlich sein Geschäft zu verrichten. Überhaupt ist die kratzbürstige Emma, die konsequent schweizerdeutsch spricht und keine Gelegenheit zum ruppigen Schimpfen auslässt, das pure Gegenteil ihrer Mitspielerin Dahinden, die als gepflegte Hausfrau Trudy sogar auf Deutsch einen vornehmen französischen Akzent pflegt.

Irgendwann tauchen die Söhne Fred, Luc und Jacques dann doch noch auf: als lebensgrosse Stoffpuppen mit grimassenhaften Strumpfgesichtern. Mit zwei dieser Figuren wurden früher im Stück Trudys Geliebter sowie ihr Ehemann verkörpert – und gegen Schluss werden die drei Textil-Typen sich in die Bewunderer von Trudys schaurig-schöner Tochter Lucienne verwandeln. Stets dieselbe Rolle spielen einzig die zwei kleinen, nackten Figürchen Adam und Eva, die zwischendurch immer wieder erscheinen und denen es auferlegt ist, die Menschheit zu vermehren. Die zwei kommen sich näher, und schon purzeln winzige Plasticbabys über die Bühne. Alles klar? Auch egal, wenn nicht – dieser Theaterabend lebt von seinen Bildern, eines abstruser als das andere.

Zürich, Theater Stadelhofen, bis 12. Mai.

 

Delia Dahinden